Milch-Mythen

Ich bin ein Milchbubi. Seit ich den­ken kann (und da­vor auch schon) trin­ke ich ger­ne und viel Milch. Als ich ge­merkt ha­be, dass ich acht Ki­lo zu­ge­nom­men hat­te, und dass Voll­milch ganz schön viel Ka­lo­rien hat, ha­be ich mich mit Mü­he auf fett­ar­me um­ge­stellt. Aber auf Milch ver­zich­ten könn­te ich nicht. Da wür­de ich so­gar noch eher Sport trei­ben – und das will was hei­ßen. Aber viel­leicht mache ich da ja was ganz falsch? Über Milch hört und liest man er­staun­­li­che Dinge. Zum Bei­spiel letz­tens in einer Dis­kussion in der Wi­ki­pe­dia…

Kein Getränk?

Es ging anfangs darum, ob Milch ein Getränk ist. Ich habe schon öfter die Behauptung gehört, das wäre nicht so. Ich bin mir nicht sicher, was die Leute damit sagen wollen. Und manchmal hat mich beim Nach­fra­gen das Gefühl be­schli­chen, dass sie sich selbst nicht ganz sicher waren. Tatsache ist, dass Milch eine Menge Nährstoffe enthält: 5% Kohlenhydrate, 3,5% Eiweiße, bei Supermarkt-Vollmilch um die 3,5% Fett, dazu viele Vitamine und Spurenelemente. Deshalb wird Milch auch als „Nähr­flüssig­keit“ bezeichnet. Aber ist es deshalb kein Getränk?

Der Duden definiert das Getränk als „zum Trinken zubereitete Flüssig­keit“. Man mag sich streiten, ob die Verarbeitung zwischen Euter und Supermarkt als Zubereitung gilt oder nicht. Aber Milch ist nach dieser Definition sicherlich nicht weniger Getränk als sagen wir guter Orangen­saft. (Der wird auch irgendwo raus­ge­presst.) In der Dis­kus­sion war leider niemand darauf gekommen, auch Milch nach­zu­schla­gen. Die beschreibt der Duden als „durch Melken gewonnene weiße, leicht süße und fetthaltige Flüssig­keit, die als wichtiges Nahrungs­mittel, besonders als Getränk, verwendet wird“. Ich vertraue da auf den Duden. Milch ist beides, Nähr­flüssig­keit und Getränk.

Ich habe jedem, der mir gesagt hat, dass Milch kein Getränk wäre, eine Wette angeboten: Wir trinken beide nichts. Er gar nichts und ich nur Milch – denn das ist ja kein Getränk. Wenn ich länger durchhalte, müsste Milch wohl doch irgendwie als Getränk fungieren. Niemand hat die Wette je angenommen. Ich vermute, das bedeutet, dass die meisten nicht wirklich glauben, dass man mit Milch seinen Durst nicht löschen könnte, sondern eigentlich nur sagen wollen, dass Milch ganz schön nahrhaft ist.

Kein Durstlöscher?

Einige meinen aber tatsächlich, man könne mit Milch seinen Durst nicht löschen. Selbst wenn es eine Erklärung gäbe, wie das sein könnte, bei 87% Wassergehalt, und warum das Säuglinge offen­sicht­lich nicht beträfe: Ich weiß es aus allererster Hand besser. Ich wäre längst verdurstet, wenn es so wäre. In der Wikipedia hat jemand die Vermutung wiedergegeben, Milch würde im Magen gerinnen und deshalb als feste Nahrung verdaut. Ich habe daraufhin noch eine bessere Wette vorgeschlagen: Kein Essen, kein Trinken, ich darf Milch und der andere Knäckebrot zu sich nehmen. Wenn Milch den Durst nicht löscht, sollte das fair sein. Weil ich mir sehr sicher bin, biete ich an, dass ich doppelt so lang durchhalten muss. Auch darauf wollte sich niemand einlassen.

Was ich an dieser Stelle überhaupt nicht begreife: Wir diskutieren in der Wikipedia über sehr viele sehr verschiedene Themen. Bei einigen ist die Antwort für die meisten von uns nicht zu verstehen, wie bei der Relativitätstheorie oder der Topologie des Universums. Bei anderen ist die Antwort im Dunkel der Geschichte verlorengegangen und man kann nur mutmaßen, wie bei der Herkunft von Familiennamen. Bei wieder anderen weiß es einfach niemand von uns. Nicht so beim Thema Milch: Wer glaubt, dass die Flüssig­keit in der Milch nicht verwertbar ist (und nicht gerade an Laktose-Intoleranz leidet), kann sich ein paar Liter kaufen, trinkt einen Tag lang nur Milch, und dann weiß er die Antwort. Es ist leicht, es geht nebenbei, und man hat sein Wissen erweitert. Aber keiner von all den sicherlich wissbegierigen Mit­diskutanten in der Wikipedia hat es ausprobiert. Ich würde es ja verstehen, wenn einen das Thema nicht interessiert – aber dann würde man sich doch erst gar nicht dazu äußern…? Wo ist die Neugier? Wo der Wissensdurst? Ich verstehe es nicht.

Kein Sport?

Jemand hat meinen Wettvorschlägen entgegengehalten, wenn ich Ausdauersport be­trei­ben und dazu nur Vollmilch trinken würde, müsste ich mich übergeben. In einer sich mir nicht erschließenden Logik sollte daraus folgen, dass Milch kein Getränk wäre. Wäre dann auch Kaffee kein Getränk, wenn man danach nicht schlafen kann?

Ich habe es trotzdem ausprobiert. Eine Stunde Training – was für meinen unsportlichen Informatiker-Körper eine (zu) große Her­aus­for­de­rung war – und dazu und direkt danach nur die fettreichste Milch (3,8%), die mein Supermarkt zu bieten hatte. Ergebnis: Ich hatte mächtig Muskelkater, mir war kurz schwindelig vor Erschöpfung. Dem Magen ging es prima. Ich kann natürlich nicht sagen, ob das jedem so gehen würde. Aber dass jeder kotzen müsste, können wir schon mal ausschließen. Immerhin ein Erkenntnisgewinn aus dieser Diskussion.

Es ist doch nur Milch…

Leute, Milch ist gar nicht so besonders, wie viele offen­sicht­lich glau­ben. Wer Milch trinkt, sollte bedenken, dass sie nährstoffreich ist. Der Kaloriengehalt ist in der Größenordnung von Traubensaft, aber deutlich über Cola. Ein Liter Vollmilch stillt den Tagesbedarf an Kalzium – aber auch den halben Tagesbedarf an Fett. Aber es löscht den Durst und befriedigt den Wasserbedarf des Körpers. Lasst es euch schmecken.

Zu diesem Artikel gibt es inzwischen mehrere „Nachträge“: Zum einen habe ich angefangen, Sport zu treiben, zuerst an einem Rudergerät, derzeit am „Five Minutes Shaper“, zum anderen versuche ich, eher Wasser als Milch zu trinken.

6 Gedanken zu „Milch-Mythen“

  1. Ich habe ein ähnliches kleines ärgerliches Gefühl dabei, mit immer wieder anhören zu müssen, dass Milch kein Getränk sei. Ich musste gerade etwas recherchieren und andere Meinungen lesen – da stieß ich auf diesen Blog. Der Knackpunkt ist wohl die Definition der Begriffe für jeden Einzelnen. Und auch wichtig was im letzten Absatz steht: man darf den Energiegehalt nicht unterschätzen – allerdings finde ich Milch immer gesünder als eine Mischung aus Wasser, Zucker, Zitrönensäure und Aromastoffe. Ich persönlich bevorzuge, aus Gewohnheit und Energie-Gründen die fettarme Milch. Mein Fazit: Milch ist natürlich ein Nahrungsmittel, für mich sind alle Getränke auch Nahrungsmittel – sie ist quasi Teilmenge der Getränke – welche widerum Teilmende der Nahrungsmittel sind. Abgrenzen würde ich zu den Genussmitteln – die können aber bestimmt auch eine ernährende Funktion besitzen….

  2. Ich ahnte schon, dass du das irgendwie noch weiterverwurstest…
    Meine beste Frau ist vom Fach. Und war vor Jahren die erste, die mir erzählte, dass Milch kein Getränk, sondern ein Nahrungsmittel ist. „Natürlich“ sagt sie „kann man Milch trinken, Milch löscht sogar den Durst (jedenfalls bei dir…)“. Aber _weil_ eben viele Menschen Milch (auch) als Durstlöscher benutz(t)en (ich hatte ähnliche Vorlieben wie du, allerdings nicht mit solch einer Gewichtszunahme), sei man dazu übergegangen, den Adipositasgruppen etc. zu erklären, dass Milch eben in erster Linie ein Nahrungsmittel ist, jedenfalls nicht als Durstlöscher genutzt werden sollte. Damit wird Milch positiv herausgehoben, Getränke wie Cola etc. können so nicht an Milch heranreichen. Diese Begründung ist wohl TF (naja, sie erinnert dunkel, dass in etwa so in den Vorlesungen argumentiert wurde), aber in ihren alten Fachbüchern steht immer: Nahrungsmittel.
    Ich zitiere mal aus drei wahllos herausgegriffenen, hier vorhandenen Büchern: Friedrich Kahrs, Leitfaden der Warenkunde des Lebensmittelhandels, 27. Aufl., Köln-Braunsfeld 1979, S. 32 „Milch ist ursprünglich als erste _Nahrung_ für das Neugeborene bestimmt. Sei enthält alle lebensnotwendigen Nährstoffe in leicht verdaulicher Fortm und ist ein wertvolles _Lebensmittel_. …“; Rüdiger Petzoldt, Sprechstunde: Diabetes: Rat u. Hilfe bei Erwachsenen- u. Jugendlichen-Diabetes, 3. verbesserte Auflage, München 1984, S. 47: „… Vitaminreiche _Nahrungsmittel_ sind Vollkornbrot, Vollreis, Milch, Fleisch…“; Cornelia A. Schlieper, Grundfragen der Ernährung, 6. verbesserte Auflage, Hamburg 1979, S. 84: „Die Milch ist für den Säugling zunächst das Haupt_nahrungsmittel_. Gerade in dieser Zeit ist jedoch die Wachstumsrate des kindlichen Organismus am größten; hieraus ist ersichtlich, daß die Milch ein vollwertiges _Nahrungsmittel_ sein muß. Außerdem sind die Funktionen des Verdauungsapparates und der Stoffwechselorgane beim Säugling zunächst noch nicht voll entwickelt; aus dieser Tatsache läßt sich schließen, daß die Milch leicht verdaulich sein muß“.
    Nein, dem widersprichst du nicht mit deinen Ausführungen. Es belegt aber immerhin, wie Milch in der Fachliteratur abgehandelt wird (und den Duden würde ich nicht dazu zählen, immerhin bezeichnet er es aber auch als Nahrungsmittel).

    1. Das hatte mich zu sehr geärgert, das musste unbedingt „verwurstet“ werden. Nicht die Frage, ob man Milch nun Getränk nennen will oder nicht. Sondern der fehlende Wissensdurst (oder alternativ, dass sich die Leute zu Dingen äußern, die sie eigentlich doch nicht interessieren).

      Nachdem du selbst schon schreibst, dass deine Ausführungen meinen eigentlich nicht widersprechen, würd‘ ich’s als Ergänzung so stehenlassen. Nur eine Bemerkung: Zwei der drei Quellen beziehen sich auf den wohl unstrittigen Fall des Säuglings. Der muss ja davon ernährt werden. Und dass der Erwachsene dieselben Nährstoffe „abbekommt“, ist dann ja logisch.

  3. Hmmm, sehr interessante Diskussion wie ich finde.
    Vor allem, weil ich meiner Grossen auch immer sage, Milch ist eher Nahrung als Getraenk. Ich hab dabei eher den Hintergedanken, dass Milch durch die vielen Naehrstoffe eben satt macht und sie dann nichts mehr isst. Fuer Saeuglinge ist Milch uebrigens beides: Nahrung und Getraenk. Allerdings ziehen wir eine Menge Fluessigkeit auch aus Lebensmitteln (Suppen, Obst, Gemuese), sodass wir, wuerden wir „genug“ essen, wahrscheinlich gar nicht trinken braeuchten.

    1. Man kann wohl sogar mit Wasser ein Sättigungsgefühl erreichen, der Trick wird ja zum Abnehmen empfohlen. Ich würde darauf tippen, dass es gar nicht so viel mit den Inhaltsstoffen zu tun hat.

      Ich kann mir schwer vorstellen, dass man so essen kann, dass man nicht dazu trinken muss. Aber deswegen hab ich die Wette ja mit Knäckebrot formuliert, da wird wohl kaum genug Wasser drin sein. :-)

      1. Kommt natuerlich drauf an, WAS man isst…
        Und die Theorie, mit Wasser ein Saettigungsgefuehl zu erreichen, stimmt schon. Natuerlich kannst du deinen Magen mit allem moeglichen fuellen, aber Wasser wird dich nur so lange saettigen bis zum naechsten Toilettengang. Und DER ist nach viel Wasser nicht weit, kann ich dir aus eigener Erfahrung berichten.

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