Allenthalben und immer wieder, und zu Ostern sowieso jedes Jahr, werden Beschwerden über die Benzinpreise laut. Da wird dann auch schon mal von der „Zeitung“ mit den vier Buchstaben eine „Benzin-Wut“ ausgerufen. Ich habe mich gefragt, ob der Benzinpreis tatsächlich derart steigt, oder ob die Bürger vielleicht nur erwarten, dass Kraftstoff immer dasselbe zu kosten hat, während alle anderen Preise steigen (und steigende Löhne das hoffentlich ausgleichen). Also habe ich nach „Benzinpreise inflationsbereinigt“ gegoosucht. Dabei stößt man auf Vanishing Point, ein Blog über Automobilkultur, das sich vor einer Weile mit dem realen Anstieg – oder eben Nicht-Anstieg – der Benzinpreise beschäftigt hat.
Unter der Überschrift Die Entwicklung der Benzinpreise von 1950 bis 2010 kommt der Autor zu dem Ergebnis, dass die Preise inflationsbereinigt heute auf demselben Stand sind wie 1955 – allerdings mit einer deutliche „Delle“ dazwischen: 1970 und dann (nach der Erholung von den Ölkrisen) auch 1990 wieder lagen die Preise 40 Prozent niedriger. In einer zweiten Statistik berücksichtigt der Autor den gesunkenen Sprit-Verbrauch von Autos und berechnet damit die Kilometer pro inflationsbereinigtem Euro, wodurch die heutigen Preise in einem noch etwas besseren Licht erscheinen.
Ich bin kein Anhänger des Spruchs, dass man nur Statistiken glauben soll, die man selbst gefälscht hat. Damit wird häufig versucht, unliebsame Zahlen argumentationsfrei abzubügeln. So leicht darf man es sich nicht machen. Aber die hier vorliegenden Zahlen (denen ich jetzt mal ohne Nachprüfen vertraue) verleiten dazu, eine Preissteigerung bei Benzin zu bestreiten und die Beschwerden für irrational zu erklären. Und das wäre falsch.
Subjektiv…
Die wenigsten von uns haben in den Fünfzigern an der Zapfsäule gestanden. Und wer jetzt glaubt, dass man in den Fünfzigern an der Zapfsäule gestanden habe, ist weit davon entfernt, es erlebt zu haben: Die Selbstbedienung an Tankstellen wurde erst in den Siebzigern eingeführt. Preise von vor 50, 60 Jahren sind historisch interessant, aber die wenigsten Menschen, die heute an der Tankstelle stehen, haben sie erlebt. Es taugt nur eingeschränkt zur Beruhigung, dass Benzin zu Opas Zeiten schon mal ähnliche Preise hatte.
Auch die Verringerung des durchschnittlichen Verbrauchs bei neueren Automodellen hilft Max Mustermann an der Tankstelle erstmal nicht weiter. Er kann nicht Geld sparen, indem er ein neues Auto kauft, das dann einen halben Liter weniger Sprit verbraucht. Bis sich das auch nur ausgeglichen hat, müsste er mehrere Male um die Erde fahren.
Historisch…
1955 gab es in Deutschland 1,7 Millionen Autos (Quelle: BGL). 1950, zu Beginn der Preis-Statistik, sogar nur eine halbe Million. Die Vergleichszahlen zu Benzinpreisen stammen aus einer Zeit, als sich eben nicht fast jedermann ein Auto leisten konnte. Und damit womöglich zum Briefkasten gefahren ist. Sie stammen aus einer Zeit, als Autofahrer und Auto Fahren die Ausnahme war, nicht die Regel.
Die Benzinpreise sind heute nicht „so niedrig wie vor 60 Jahren“.
Sie sind so hoch wie vor 60 Jahren.
Warum?
Ich kann nicht beurteilen und will nicht bestreiten, dass die Mineralölkonzerne wohl Ferien und Feiertage nutzen, um ein bisschen mehr zu verdienen. Aber das erklärt nicht den Anstieg über die Jahre…
Es gibt im Englischen den Begriff des „peak oil“, im Deutschen sperriger, aber auch aussagekräftiger „globales Ölfördermaximum“ genannt. Damit bezeichnet man den Zeitpunkt, ab dem die weltweite Förderung von Öl abnimmt. Einfach, weil nicht mehr genug da ist. Niemand weiß genau, wo dieser Zeitpunkt liegt, und ob wir ihn schon hinter oder noch vor uns haben. Man kann sich auch darüber streiten, ob man unkonventionelle Ölvorkommen wie Ölsand dazuzählt. Und mit der Zeit wird es sich lohnen, immer schwerer zugängliche Ölvorkommen zu erschließen. Aber Fakt ist: Es gibt kein „easy oil“ mehr. Welcher Aufwand inzwischen getrieben werden muss, um an Öl zu kommen, sollte auch ins Bewusstsein der Öffentlichtkeit vorgedrungen sein, als 2010 in eineinhalb Kilometer Tiefe unter dem Meer ein Bohrloch außer Kontrolle geriet und wochenlang nicht verschlossen werden konnte. Die Internationale Energieagentur schätzte den Zeitpunkt des Peak Oil für Rohöl im Jahre 2010 übrigens ab mit 2006. Man vermutet also, dass die Ölförderung schon jetzt am Abnehmen ist. Während der Bedarf sicherlich noch eine Weile steigen wird.
Die Folgen sind offensichtlich: Benzin ist teurer geworden, und es wird noch teurer werden.