Zuerst die gute Nachricht: Wir, die wir von einem Stück Torte zunehmen(*), sind gute Futterverwerter. Die, die essen können, soviel sie wollen, und trotzdem schlank bleiben, sind schlechte Futterverwerter. Unser Körper macht es richtig, deren Körper macht es falsch. Vor einer Million Jahre in der Steppe hätten wir bei einer Hungerperiode überlebt, die vielleicht nicht.
(*) Wenn wir es essen – nicht, wenn wir es anschauen, wie ich hier zuerst selbstbetrügerisch schreiben wollte.
So weit, so mittel-tröstlich. In einer Kühlschrank- und Überfluss-Gesellschaft, in der auch die mit wenig Geld doch fast alle mehr als genug zu essen haben, sind die guten Futterverwerter bekanntlich nicht so doll im Vorteil.
Gefühlte Ewigkeiten konnte ich essen, so viel ich wollte. Selbst über Weihnachten bei Oma: kräftig gefrühstückt, drei Gänge zum Mittag, dann zur anderen Oma und viel Torte essen, wieder zurück und nochmal kräftig zu Abend gegessen, teilweise wieder warm, und das tagelang – ich hab nicht zugenommen. Ich habe über 10 Jahre lang immer dasselbe gewogen.
Aber irgendwann um die Dreißig habe ich festgestellt, dass ich vom schlechten zum guten Futterverwerter geworden war. Ungefähr acht Kilo zu spät. (Warum wird der Körper eigentlich ausgerechnet in dieser Disziplin von allein besser, das tut er doch sonst nicht?!?) Ein bisschen was davon hab ich runtergekriegt, indem ich mich zum Beispiel von normaler auf fettarme Milch umgestellt habe. Anfangs war das schwer, Vollfett-Milch schmeckt doch besser. Ich musste die teure Marken-Milch nehmen, die geschmacklich am erträglichsten war. Aber ich hab mich daran gewöhnt. Das hat ein bisschen was gebracht, aber nicht genug.
Als es mir zu bunt wurde, habe ich mich über das Fasten informiert. Ich wollte ausprobieren, wie das ist, ob ich das überhaupt hinkriege: nichts zu essen. Ich hatte mal an der Uni versehentlich bis 17 Uhr nichts gegessen. Hatte es einfach vergessen. Da hat sich der Körper gerächt, das hat richtig wehgetan. Deshalb hatte ich meine Zweifel, ob ich das Fasten durchhalten würde.
Sechs Tage gar nichts essen plus die Umgewöhnungszeit vorher und nachher hatte ich mir vorgenommen. Trinken wollte ich hauptsächlich Wasser, ab und zu Tee, und zum Höhepunkt des Tages ein Glas Gemüsesaft, Gemüsebrühe oder Rinderbouillon. (Die Bouillon war das Schlimmste – riecht wie Essen, ist aber fast nur heißes Wasser mit Salz und Geschmack. Vergebens läuft einem das Wasser im Munde zusammen…) Dazu täglich eine Tablette mit Vitaminen und Mineralstoffen. Der Schluck fettarme Milch in der einen Tasse Kaffee, die ich mir jeden Tag gegönnt habe, war (wenn ich mich nicht verrechnet habe) die größte Kalorien-Zufuhr des Tages. Außerdem habe ich ein paar Schluck Sojamilch getrunken, weil die vergleichsweise viele Proteine enthält, und ein wenig Sport getrieben, auf dass der Körper nicht auf die Idee kommt, Muskeln abzubauen statt Fett.
Ich habe mir für die Zeit freigenommen – denken kann man währenddessen nicht gut. Zu Beginn des Fastens muss man erstmal seinen Darm entleeren. Also, so richtig. Ich hab Sauerkrautsaft getrunken, und… wie soll ich’s sagen? … und hab meinen Darm so richtig entleert. Es gibt dann einen Entlastungstag, an dem man wenig (und das richtige) essen soll, und am nächsten Morgen wacht man auf und isst nichts mehr. Das ist tatsächlich einfacher als das unfreiwillige Hungern in der Uni. Es ist jetzt nicht gerade so, dass man keinen Hunger hätte, aber irgendetwas an der Prozedur, sei es die Vorbereitung oder die bewusste Entscheidung, lässt es einen besser ertragen.
Eines der Erlebnisse, die sich mir am stärksten eingeprägt haben aus der Zeit, war ein Kölner Tatort. (Das sind die mit Ballauf und Schenk.) Am Schluss der Folge gehen die beiden Ermittler oft noch zu einer Pommesbude. Ich habe den Tatort wie so oft genossen – aber bei der Pommesbude musste ich abschalten. Ich konnte Currywurst nicht einmal im Fernsehen sehen! Manche beschreiben, dass sie beim Fasten sogar ein Hochgefühl bekommen. Ich hab mich zwar nach ein/zwei Tagen ganz gut gefühlt, aber ein High war das doch eher nicht.
Am Ende des Fastens ist es dann wichtig, den Körper sehr vorsichtig wieder an Nahrung zu gewöhnen. Man, was hab ich mich auf meine gedünsteten Apfelscheibchen gefreut, die ich als erstes essen durfte!
Ich hatte in den Tagen des Fastens viel auf der Waage gestanden und mir davon Motivation erhofft. Aber gewichtsmäßig bringt Fasten nicht sehr viel. Und man darf sich keiner Illusion hingeben: Das, was man anfangs durch die Darmentleerung schlagartig abnimmt, kommt nachher natürlich wieder dazu.
Das Fasten hat mir die nicht unbedingt erwartete Erkenntnis gebracht, dass ich das kann: nicht zu essen, einfach, weil ich es so beschlossen habe. Und ich kann nun mit weniger Essen auskommen. Ich bin ein Stück mehr Herr über meinen Körper. Ich muss nicht essen, weil die Uhrzeit das sagt, und wenn ich es nicht will, dann esse ich auch nicht, wenn der Magen danach ruft.
Ich weiß jetzt, wie man abnimmt…
Man isst einfach weniger.
Solange man abnehmen will viel weniger – es heißt nicht umsonst „FDH“ („Friss die Hälfte!“) und nicht „LmehNa“ („Lass mal einen halben Nachtisch aus.“). Und nach dem Abnehmen muss man seine Ernährung dauerhaft umstellen und darf logischerweise nicht wieder so essen wie in der Zeit, in der man zugenommen hat.
Na gut, eins war gelogen: „Einfach“ ist das nicht. Aber es hilft.
Die Grundformel ist, dass man weniger Energie zu sich nehmen und/oder – am besten und – mehr Energie verbrauchen muss. So einfach und so schwer ist das. Letzteres habe ich nicht versucht, obwohl man so natürlich eine besonders gute Figur macht.
Nachtrag: mein nächster Fastenbericht, von 2016