Programm des Tages: LyX

Ich habe meine Diplomarbeit mit demselben Programm geschrieben, mit dem ich auch Briefchen ans Finanzamt verfasse. Nein, nicht OpenOffice. Das war zu Zeiten meiner Diplomarbeit noch gar nicht veröffentlicht. Ich schreibe alles, was später auf’s Papier soll, mit LyX.

LyX-Eingabe klein

WYSIWYG („What you see is what you get“) war mal ein Schlagwort für die Art und Weise, wie man in Word, OpenOffice Writer und co Texte bearbeitet. Dabei soll der Bildschirminhalt dem möglichst ähnlich sehen, was nachher zu Papier gebracht wird. Das ist verlockend – hat aber Haken. Viele Anwender produzieren in solchen Programmen ihre Absätze und Seitenumbrüche, indem sie mehrmals die Return-Taste drücken, oder machen Überschriften, indem sie die Schriftart vergrößern. Das funktioniert. Bis sie zum Beispiel ein Inhaltsverzeichnis angelegt haben wollen. Word weiß nicht, dass ein Wort eine Überschrift ist, nur weil man es in 20 Punkten und Fett formatiert hat. Man muss dem Programm sagen, dass dies eine Überschrift ist – dann nimmt es diese auch in ein automatisch angelegtes Inhaltsverzeichnis auf und kann bei Änderungen die Seitenzahlen anpassen. Dann kann man auch (über eine Änderung der sogenannten Formatvorlage) leicht alle Überschriften ein Stück größer oder kleiner machen und muss nicht jede einzeln ändern. Und wenn man ausdrücklich einen Marker für einen Seitenumbruch einfügt, bleibt der, wo er ist, wenn beim Bearbeiten mal eine Zeile hinzukommt oder wegfällt.

Um solche Probleme von vorneherein zu vermeiden, geht LyX einen ganz anderen Weg. Was auf dem Bildschirm zu sehen ist, sieht eher einfach aus. Das Ergebnis auf dem Papier dafür sehr gut. In LyX kann der Anwender nicht einfach die Schriftart eines Worts vergrößern. Es nützt auch nichts, zweimal hintereinander die Leertaste oder Return zu drücken. Man muss dem Programm verraten, was man meint – nicht, wie es ungefähr aussehen soll. Dementsprechend wurde dafür die Formel „What You See Is What You Mean“ geprägt. Dadurch, dass man das Aussehen nicht mit den gewohnten (falschen) Mitteln erreichen kann, ist man gezwungen, sich auf die richtigen zu konzentrieren. Das Programm geht soweit, zwei aufeinanderfolgende Leerzeichen nicht zu akzeptieren (und stattdessen in der Statusleiste einen Hinweis auf die Hilfe einzublenden).

Eigentlich wollte ich hier eine Seite meiner Diplomarbeit als Beispiel zeigen. Leider kann LyX das Format der Parallelentwicklung kLyX, die ich damals verwendet habe, nicht einlesen. Daher hier ein Brief-Template als Beispiel, oben in der mittelmäßig ansprechenden Form der Eingabe, unten als fertiger Brief – mit der Anschrift dort, wo der Fensterumschlaghersteller das Loch gelassen hat.

 

LyX-Ausgabe

 

Die Basis von Lyx ist das Satzsystem TeX. Das weiß, was es tut – meist besser als wir Laien. Die Geschichte hinter TeX ist faszinierend. Donald Knuth, ein berühmter Informatiker, hat über Jahrzehnte an einem mehrbändigen Werk über die Informatik geschrieben. Er war so selbstbewusst, davon auszugehen, dass es auch in hundert Jahren noch von Bedeutung sein würde. Als er feststellen musste, dass die Druckqualität der Bände abnahm, hat er seine Arbeit unterbrochen und erst einmal ein Satzssytem geschaffen: TeX. Er hatte geschätzt, das würde einige Monate dauern. Schließlich brauchte es aber viele Jahre. Knuth war so überzeugt von seinem Programm, dass er für das Auffinden eines Fehlers eine Belohnung anbot, die sich jedes Jahr verdoppelte – wie die berühmten Reiskörner auf dem Schachfeld.

Wer also genug von Word, OpenOffice und co hat, dem empfehle ich einen Blick auf LyX. Das gibt’s auch für Windows und Mac.

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