Auf dem Weihnachtsmarkt …

Am Wochenende war meine Cousine mit einer Freundin, Nik, in Berlin. Wir haben uns am Sonntag getroffen und sind auf den Skandinavischen „Lucia-Weihnachtsmarkt“ in der Kulturbrauerei gegangen.

Das Timing war besonders günstig. Am Abend gab es das eigentliche Lucia-Fest, den Höhe­­punkt der schwedischen Vorweihnachtszeit. Da war ich mit der Tollsten Frau vonne Welt schon mal. Zwischen den ganzen Schwedisch sprechenden Menschen kam ich mir fast fehl am Platze vor. Es war, als würden hier die Schweden, die es nach Berlin verschlagen hat, gemeinsam Weihnachten feiern.

Wir waren also zu dritt da (die Tollste Frau vonne Welt war übers Wochenende bei ihrer Mama zu Besuch). Wir haben uns unseren ersten Glögg, nordischen Glühwein, besorgt, und …

Eine Explosion.

Irgendwo weiter vorne auf dem Markt.

Paris?!?

Eine Weile, keine Ahnung, wie lang, vielleicht 20 Sekunden, passiert nichts. Dann fangen die ersten Leute an, in unsere Richtung weg­­zu­­lau­­fen, und schnell ist dann natürlich die ganze Masse in Bewegung.

Ich laufe los, meine Tasse Glögg noch in der Hand. Als ich hinter der Bude bin, rufe ich nach meiner Cousine, sehe sie zuerst nicht, aber doch, da ist sie, ein Glück. Und Nik kommt wem auch immer sei Dank auch. Gemeinsam rennen wir zum Ausgang, mit allen anderen. Es entsteht aber nicht die Panik, die Leute einander umrennen lassen könnte.

An der Straße angekommen würde wir gerne auf die andere Stra­­ßen­­seite wechseln, weg von potentiell gefährlichen Men­schen­an­sammlungen, aber da steht eine Mauer, wir kommen nur auf einen schmalen Grasstreifen davor.

Die ersten Sirenen, Polizei und Feuerwehr.

Wir gehen zurück auf den Gehweg und laufen langsam parallel zum Markt, der auf dem Hof der Kulturbrauerei stattfindet, durch das Gebäude von ihm getrennt.

Wir stellen fest, dass wir alle unsere Glögg-Tassen noch in der Hand haben. Auf den Pfand werden wir heute mal verzichten. Auf die Hand verkippter Glögg klebt.

Ein Mann und eine Frau sprechen uns an. Ob wir wüssten…? Nein, wir wissen auch nicht. Aber es tut gut, mit Menschen zu reden. Sie raucht eine Zigarette, ich würde auch gerne eine rauchen, aber ich hab ja aufgehört. Wenn man in so einem Moment keine raucht, hat man es wohl geschafft.

Nach ein paar Minuten kommt mehr Feuerwehr, aber auch mehr Polizei. Das bestärkt uns in unseren Befürchtungen: Wenn schon Polizei da ist und die Lage sondiert hat, aber dennoch noch mehr Polizei nachrückt, auch in Mannschaftswagen, dann wird wohl viel Polizei gebraucht? Also eher kein Unfall oder sowas? Im Internet findet sich noch nichts, weder Bestätigung noch Entwarnung.

Nik braucht einen Schnaps; ich kann das gut verstehen. Aber ich will nur ungern in  eine der zahlreichen Kneipen. Seit Paris denkt man sich ja nicht mehr, dass man in Sicherheit ist, wenn man sich vom Punkt der Gefahr entfernt hat. Es kann sich auch an mehreren Punkten „entzünden“.

Ich schlage vor, zu mir zu fahren, ich denke an sichere vier Wände. Die beiden stimmen zu. Wir gehen – gehen tut gut, wenn man so zittrige Knie hat! – zur S-Bahn und fahren heim. In der S-Bahn ist mir sehr mulmig. Wenn hier jemand einen Anschlag verüben will, kann man nicht einmal versuchen wegzurennen.

Wir kommen an meinem Heimat-S-Bahnhof an. Auch hier Bahn-Wachen, ein Polizeiwagen. Das sieht nicht gut aus. Wir besorgen uns Getränke und laufen zu mir. Als ich dir Tür hinter uns schließe, fühle ich mich zum ersten Mal seit dem Knall in Sicherheit.

Wir schauen sofort nach, was das Netz weiß. Nichts bei Tages­­schau.de, ein erstes gutes Zeichen. Google gibt dann Entwarnung: Es war ein Unfall mit einer Gasflasche; ein paar leicht Verletzte.

Erleichterung.

Den Rest des Abends haben wir uns bei Bier und Niks Wodka schön gemacht. Aber als meine Gäste gegangen waren, kam ein Stück der Anspannung zurück. Ich war froh, als die Tollste Frau vonne Welt heimkam und mich in den Arm nehmen und ablenken konnte.

Es ist den Terroristen gelungen, einem die Angst in den Hinterkopf zu pflanzen. Ich gehe nicht ängstlich über den Weihnachtsmarkt. Aber sobald irgendwo eine Gasflasche explodiert, ist die Angst da. Doch natürlich gehen wir weiter auf den Weihnachtsmarkt. Denn wie sagte Helge Schneider so treffend, als er aufgrund von Terrorgefahr eine Veranstaltung absagen musste?

„Ich musste grad ’ne Lesung  absagen, in Hannover. Jetzt bin ich in meinem Hotel und ess ’ne Mandarine. […] Ich kann nur sagen, wenn das so weiter­­geht und ich am Ende morgen auch noch mal absagen muss… dann komm ich Donnerstag wieder.“

Nachtrag: Der Bericht der Berliner Abendschau

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