Frozen Synapse

Vor über einem Jahr hat mir mein Bruder einen Steam-Gutschein für das Strategiepiel Frozen Synapse geschenkt. Dabei mochte ich Steam damals noch so gar nicht! Inzwischen habe ich erfahren, dass Frozen Synapse immer im Doppelpack verkauft wird. Ulkiges Modell. So hatte er wohl eines zu viel und hat an mich gedacht…

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Zu meiner Schande muss ich gestehen, dass ich den Gutschein lange Zeit nicht mal eingelöst habe. Erst als mein Interesse an Steam dank der Unterstützung von Linux gewachsen ist und ich nach der Installation mit Überraschung festgestellt habe, dass ich schon ein Spiel für Linux besaß – eben Frozen Synapse -, habe ich mir das Spiel angekuckt.

Der erste Anblick, spartanische Menüs und scheinbar ein Zwang zur Anmeldung, hat mich nochmal abgeschreckt. Aber man muss sich nicht anmelden, das ist nur für den Multiplayermodus. Und die spartanische Anmutung, nun… da muss man durch. Wenn ich die Grafik sehe, in der das Spiel sich präsentiert, denke ich mir, das hätt‘ ich auch noch gekonnt.

Frozen Synapse Dossier
Präsentation: Trocken

Es gibt eine Einzelspielerkampagne, in der ich derzeit auch noch stecke. Die Geschichte scheint gar nicht so uninteressant zu sein: Der Zusammenschluss zweier Großkonzerne, „Enyo:Nomad“, hat die Macht in der Stadt mit dem seltsamen Namen Markov Geist übernommen. Sie kontrollieren die „Shape“, ein neuromancer-artiges Netz. Natürlich sind wir angetreten, ihre Macht zu brechen. Doch das Geschehen bleibt nicht gradlinig und sauber, so erschießen zum Beispiel Verbündete in einer Mission wahllos Zivilisten… Man muss sich die Geschichte ein wenig erarbeiten. Sie wird nicht mit Sprachausgabe präsentiert, sondern in guten alten Textboxen bei Dialogen, Briefings und in Dossiers. Letztere muss man aktiv aufrufen, wenn man nichts verpassen will.

Um den Freiheitskämpfern zum Sieg zu verhelfen, muss man zahlreiche einzelne Level bestehen. Diese werden zum großen Teil zufällig generiert, so dass man bei einer Niederlage nicht am selben Schauplatz neue Methoden ausprobieren kann, sondern sich wieder an eine neue Umgebung anpassen muss. Die Level werden in der Draufsicht gezeigt. Zu Beginn sieht man durchgehend sowohl seine eigenen als auch die gegnerischen Soldaten. Später steht man dann auch schon mal taktisch im Dunkeln und bekommt von den Gegnern nur angezeigt, wo ein eigener Soldat sie zuletzt gesehen hat und wie lang das her ist.

In allen rundenbasierten Strategiespielen, die ich bisher gespielt habe, wird abwechselnd gezogen. Man zieht seine Figuren, greift den Gegner an, verschanzt sich, und dann kommt der Gegenspieler an die Reihe und tut dasselbe. Frozen Synapse ist anders. Hier plant man einen Zug, während der Gegner seinen plant. Man erarbeitet für jede Figur einen Zeitplan, lässt sie laufen, schießen, sich ducken und wieder aufstehen, sich umkucken, in eine Richtung starren, Gegner ignorieren oder eine Zeit lang warten. Dasselbe kann man auch mit den gegnerischen Figuren machen. Anschließend lässt man den Computer simulieren, was passieren würde, wenn sich die Figuren wie geplant verhalten, wer wen wo treffen und wer Feuergefechte gewinnen würde. Dabei wird bei Frozen Synapse nicht gewürfelt. Der Ausgang hängt von verschiedenen Faktoren ab, aber nie vom Glück. Nach dem Test kann man seine Strategie anpassen, umplanen, wieder simulieren, so lange man will. Währenddessen tut der Gegner, in der Kampagne also der Computer, dasselbe. (Laut einer Option, mit der man das aus Geschwindigkeitsgründen abschalten kann, scheint das sogar tatsächlich parallel zu unserer Planung berechnet zu werden.) Wenn man von seiner Strategie überzeugt ist (oder einem nichts Besseres mehr einfällt), gibt man den Zug ab. Und dann kann man sich ankucken, warum wieder nichts so gelaufen ist, wie man sich das vorgestellt hat.

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Wir wollen raus – aber immer nach Norden schauen, ob der Gegner kommt.

Es gibt verschiedene Missionstypen. Anfangs war ich überrascht, wie vielfältig die Missionen daherkamen, aber später wiederholt es sich schon öfters. Man muss unter anderem überfallen, beschützen und begleiten. Einheiten gibt es fünf verschiedene: Schrotflinte, Maschinengewehr und Scharfschützengewehr für kurze, mittlere respektive große Reichweite sowie Raketenwerfer (der nur Wände zerstören kann – mit allem, was drumrumsteht) und Granatwerfer (der die Granate an Wänden abprallen lassen kann).

Wichtiger Teil des Spiels dürfte der Multiplayer-Part sein. Man kann in verschiedenen Spielmodi gegeneinander antreten. Es gibt weltweite Highscore-Listen. Die Punkte-Vergabe orientiert sich daran, wie andere Spieler auf derselben Karte abgeschnitten haben, so dass ein eventuelles Ungleichgewicht ausgeglichen wird. Das kann dann natürlich auch dazu führen, dass man Punkte abgezogen bekommt, weil man zu viele Runden zu einem Sieg gebraucht hat… Wenn die Spieler mögen, können sie sich auch viel Zeit nehmen, und sich per E-Mail über den nächsten Zug des Gegners informieren lassen. Aus der Praxis kann ich aber noch nicht davon berichten; ich habe mich mit meinen bisherigen Fähigkeiten noch nicht herangetraut. Nachtrag: Inzwischen habe ich mich getraut, hier ist der Bericht.

Technisch hätte Frozen Synapse schon vor Jahren niemanden hinterm Ofen vorgelockt. Die Sounduntermalung ist allerdings erstklassig. Ich habe letztens das Spiel angelassen, als ich in der Wohnung beschäftigt war, um die Sounds weiter genießen zu können. Die grafische Präsentation ist jedoch so simpel, wie die Taktik komplex ist. Ich erinnere mich dunkel, dass ich damals den Test in der PC Games gelsesen habe und mich gefragt habe, wie man sowas spielen oder verkaufen kann. Jetzt weiß ich es. Danke, Bruderherz!

Ich war inzwischen 17 Stunden mit dem Spiel beschäftigt. (Steam zählt ja mit, wieviel Lebenszeit man einem Spiel gewidmet hat…) Immer wieder spiele ich ein Ründchen. Oder zwei oder drei. Samstag bin ich dadurch (ein paar Minuten) zu spät zu einer Verabredung gekommen. Ich hatte in der ersten Runde alle Soldaten bis auf einen verloren. Mit dem habe ich es dann aber tatsächlich geschafft, fast alle gegnerischen Soldaten zu erwischen. Ich musste die Runde noch zu Ende spielen. Der letzte ist mir dann davongerannt und hat sich über das Rundenlimit gerettet, innerhalb dessen ich meinen Überfall abgeschlossen haben musste.

Es lohnt sich übrigens, die Online-Hilfe des Spiels zu lesen. Sowohl Tutorial-Spiel als auch -Video lassen zum Beispiel aus, dass man die gegnerischen Einheiten auch planen kann oder dass man mit der Taste V von jedem Wegpunkt aus die Sichtlinie überprüfen kann.

Frozen Synapse gibt es für Linux, Mac und sogar für Windows. Wer sich das Spiel mal in einem Video anschauen will, dem sei dieser begeisterte Brite empfohlen: WTF Is… Frozen Synapse?

 

2 Gedanken zu „Frozen Synapse“

  1. Noch viel spannender wird es im Multiplayer, dort sieht man dann einen um die Ecke lugen um den Gegner abzulenken während ein zweiter um die Ecke stürmt und drauf los ballert. Bei Frozen Synapse gibt es nämlich kein Glück bzw. Würfel sondern eine einfache Faustregel; je langsamer die Bewegung desto besser die Reaktion. Deswegen ist es ohne Tricks sehr schwierig jemand aus der Deckung zu holen.

    1. Verdammt, das mit dem Glücksfaktor, dem nicht vorhandenen, hab ich zu schreiben vergessen!
      Um zum Multiplayer… vielleicht sollte ich mir ein Spiel vor dem Bericht doch mal komplett ankucken? :D

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