… und habe die virtuelle Welt von innen gesehen.
Meinen ersten Computer habe ich 1984 bekommen. Damals waren Spiele zweidimensional auf einer zweidimensionalen Ebene, dem Monitor. In den Neunzigern, mit Wolfenstein 3D, Doom, Quake und co, wurden die dargestellten Welten dreidimensional, aber sie fanden immer noch auf einer platten Ebene vor einem statt. 2010 habe ich mir eine 3D-Brille gekauft. So konnte ich einige Spiele tatsächlich stereoskopisch sehen, also so dreidimensional, wie das ein menschliches Auge halt kann. Aber noch immer fand das Spiel vor einem auf dem Monitor statt.
Vorgestern habe ich auf der IFA zwei der neuen VR-Brillen ausprobiert, die nächstes Jahr erscheinen sollen. Mit ihnen sieht man auch stereoskopisch. Vor allem aber kann man sich in der virtuellen Welt umschauen. Wenn ich mit meiner 3D-Vision-Brille vor dem Monitor sitze und nach links kucke, sehe ich eine (blaue) Wand. Und rechts einen Bücherschrank. Wenn ich mit einer modernen VR-Brille zur Seite kucke, sehe ich, was auch immer im virtuellen Raum neben mir ist. Man schaut nicht mehr auf eine zweidimensionale, schein-dreidimensionale oder vor einem liegende stereoskopische virtuelle Welt. Man ist in einer virtuellen Welt. Anders kann ich das Gefühl gar nicht beschreiben. Es ist, als hätte ich 30 Jahre vor dem Monitor gesessen und wäre nun hineingeklettert.
In der ersten Phase der Sony-Demo („Bedroom Robots“) sollte man sich erst einmal an das Gefühl gewöhnen, dass man sich im virtuellen Raum umschauen kann. Ausdrücklich wurde einem gesagt, dass man auch nach oben schauen sollte (von wo ein Saurier auf einen herabschaute). In der zweiten Phase, als man als Saurier Dinge plattmachen sollte („Monster Escape“), habe ich, wenn etwas nicht in Kopfhöhe, sondern tiefer lag, unbewusst die Hände verwenden wollen. Einfach, weil ich der Saurier war, und der etwas Zerstörbares vor den Händen, Pfoten, ach was weiß ich hatte. Das hat nicht funktioniert, das Sony-System achtet nicht auf die Hände, aber es zeigt, wie sehr ich mich unterbewusst mit meinem virtuellen Ich identifiziert habe.
Ich habe mich während des Wartens mit anderen Besuchern unterhalten, und wir haben überlegt, dass Gamepads eigentlich nicht gut in diese virtuelle Welt passen. Wenn ich das Ich der virtuellen Welt bin, kann ich kein Gamepad benutzen. Oder wer hat schon mal einen Saurier mit einem Gamepad in der Hand gesehen?! Die Immersion, die Identifikation mit dem Spielsubjekt, wird gestört, wenn man etwas in der Hand hat, was man nicht sieht (aber auch, wenn man etwa ein Gamepad einblenden würde). Besser wären neue Steuerkonzepte, die näher an dem liegen, was die Spielfigur tun würde. Und großartigerweise produzieren sowohl HTC als auch Oculus Handsteuergeräte, mit denen man die Hände natürlich bewegen und damit auch etwas bewirken kann.
Für mich ist diese Identifikation, die Immersion, erst einmal etwas uneingeschränkt Positives. Ich bin von den Möglichkeiten begeistert. Aber ich kann verstehen, wenn es einen auch skeptisch macht. Man wollte so eine Brille, man könnte auch Helm dazu sagen, wohl nicht tragen, ohne dass Kopfhörer dabei sind oder man zusätzlich welche trägt. Man ist damit also sensorisch ziemlich abgeschottet von der Umwelt, noch stärker, als man es mit Kopfhörer vor dem Monitor ist. Man hört seine Mitbewohner nicht nur nicht mehr, man sieht nicht einmal, wenn/ob jemand ins Zimmer kommt. Wenn man in den Monitor klettert, ist man halt doch tief in der virtuellen Welt. Und man muss danach vielleicht erst einmal wieder „hinausklettern“ und sich kurz in seiner realen Umwelt orientieren. Ein Hobby-Youtube-Spiele-Vorspieler („Let’s Player“) von Gametube hat die Frage aufgeworfen, wie das mit der virtuellen Gewalt ist. Ist der Eindruck, vielleicht der Einfluss, den virtuelle Gewalt auf junge Menschen hat, stärker, wenn man mitten drin statt nur dabei ist? Der Eindruck sicherlich – der Einfluss, ich weiß es nicht.
Aber ich bin jetzt definitiv „angefixt“, was die VR-Brillen angeht.
Und wie steht’s mit dir?
Schon probiert?
Neugierig?
Oder ist das nichts für dich?